Die Cologne Commons, ein Gespann aus Festival und Konferenz, fand nun zum dritten Mal statt. Bei der ersten Runde 2009 war der Schwerpunkt eindeutig auf Musik gelegt. Damals diskutierte man darüber, ob das Modell der Creative Commons ein ökonomisches Experiment oder ein politisches Statement ist, welche rechtlichen Implikationen der Betrieb eines Netlabels mit sich bringt und welche Selbstvermarktungswerkzeuge es für Musiker gibt; beschworen wurde der Wandel der Tonträgerindustrie zur Multi-Content-Wirtschaft.
Bei der zweiten Cologne Commons 2010 öffnete sich die Konferenz dann allmählich in Richtung weiterer Gemeingüter. Neben der Betrachtung medienübergreifender Herausforderungen auf dem Feld der Remixkultur und des Mitmachwebs schälte man erste begriffliche Unterscheidungen im Hinblick auf die nicht-digitalen Commons heraus.
2013 nun betrachtete die Konferenz kulturelle, soziale, digitale oder ökologische Commons. Der etwas vage Slogan „Allmenden in Wissenschaft, Kultur und Alltag“ deutete schon an, wie schwierig es sein würde, den integrierenden Ansatz dieser Konferenz zu verwirklichen. Silke Helfrich eröffnete die Cologne Commons 2013 mit ihrer Keynote „Commons fallen nicht vom Himmel“ (mittlerweile von Droid Boy online gestellt) und betonte, dass Commons „im gegenwärtigen System entwickeln“ werden müssten.
Solche Commons benötigten lokale Arenen zur Entscheidungsfindung, so Helfrich: Zeit, Raum und die Möglichkeit, Konflikte durch Nutzer selbst zu lösen. Aber auch einen institutionellen Rahmen. Denn das Recht auf Teilen müsse geschützt werden: „Microsoft und Monsanto dürfen nicht das gleiche Recht haben, mit freier Software und Saatgut so umzugehen, wie die Commoners“. Helfrich schloss ihre Keynote mit dem Appell an die Konferenzteilnehmer, Experimente zu machen, Perspektivenwechsel vorzunehmen und den Monopolisierungstendenzen zu trotzen, damit „sich das Paradigma irgendwann dreht“.
Die Themen der anschließenden Panels deckten sich weitgehend mit den Interessenfeldern der Organisatoren: Commons in den Wissenschaften, vertreten durch das Institut fü Linguistik und Phonetik der Uni Köln, Energie mit dem European Business Council for Sustainable Energy oder dem internationalen Ökodorf-Netzwerk GEN – Vertreter der „Offline-Variante“ der Commons. Der Verein zur Förderung der Kreativ-Allmende Purer Luxus gehörte zu den Organisatoren und stand im wesentlichen für die klassischen Musikthemen der Cologne Commons.
Open Access, Offline-Groß-WG
Am ersten Tag der zweitägigen Konferenz liefen die Beiträge räumlich und thematisch getrennt. Dadurch wurde leider die Chance vertan, die unterschiedlichen Commonsvertreter näher zusammenzubringen. Anders geschah es beim Panel über „Community Building“ mit Francesca Pick von Ouishare, das sich als Netzwerk für die collaborative econonomy versteht und Heinz-Ulrich Eisner von der „Offline-Groß-WG“ Villa Locomuna.
Das Highlight des ersten Tages war der gemeinsame Beitrag von Heinz Pampel (Helmholtz-Gemeinschaft) und Marco Trovatello (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) unter dem Titel „Öffentlich finanziert = öffentlich zugänglich?„. Hier wurden zahlreiche Beispiele vorgeführt, was im öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Betrieb unter Creative-Commons-Lizenz gestellt werden kann und wie damit zu zugleich die Reichweite erhöht.
Heinz Pampel warb dafür, dass wissenschaftliche Bibliotheken sich als Dienstleister verstehen und Wissenschaftler beim fachmännischen Transfer ihrer Arbeiten in Open-Access-Repositorien unterstützen sollten. Marco Trovatello merkte an, dass Open Access in wissenschaftlichen Einrichtungen noch auf große rechtliche Unsicherheiten stößt, besonders wo es über Textbeiträge hinausgeht, etwa bei Forschungsdaten.
GEMA und C3S
Die Podiumsdiskussion „Wohin als Urheber? Zur GEMA oder zur C3S?“ gehörte zum historischen Themenkern der Cologne Commons. Wolfgang Senges von der C3S war der anstrengende Prozess anzumerken, eine Verwertungsgesellschaft zu gründen. Der Filmkomponist Matthias Hornschuh schaffte es, seinen Podiumskollegen stets in die Verteidigungsposition zu drängen. Hornschuh argumentierte zwar schlüssig, verließ aber nie die Perspektive eines Berufsmusikers. Von GEMA-Tantiemen lebe man schließlich und die Honorare deckten heutzutage lediglich die Produktionskosten eines Score-Komponisten, der weitere Musiker engagieren und fertige Aufnahmen abliefern muss.
zugegeben: ich habe in all den jahren niemanden so logisch und nachvollziehbar pro gema argumentieren hören wie herrrn hornschuh. #cgnc13
— SimSullen (@SimSullen) October 17, 2013
Außerhalb des GEMA-Lizenzraums dagegen werde das Werk wertlos und dessen Abnahme durch die Auftraggeber verunmöglicht. So ist für Matthias Hornschuh auch die Verteilungslogik der GEMA völlig legitim, denn diese richte sich allein nach dem finanziellem Erfolg des Künstlers. Was in der Runde fehlte, war die Vision einer Verwertungsgesellschaft, die nicht nur auf berufsmäßige Kulturschaffende zugeschnitten ist. Leider wurde nur ein Bruchteil der von der C3S vertretenen Ziele überhaupt zu Gehör gebracht.
gut finden muss ich das trotzdem nicht. ;) #gema #cgnc13
— SimSullen (@SimSullen) October 17, 2013
„Sind Netlabels tot oder riechen sie nur komisch?“
2009 wirkte Kritik an Creative Commons und den Netlabels in Netaudiokreisen noch wie Blasphemie. Damals vertrat Marc Wallowy von Tokyo Dawn Records den Standpunkt, Creative-Commons-Lizenzen verbauten Musikern das finanzielle Weiterkommen. Die diesjährige Diskussionsrunde „Sind Netlabels tot oder riechen sie nur komisch?“ war dagegen weniger kontrovers. Die Gründe für die zahlreichen Netlabelschließungen, für das Scheitern oder Gelingen von Monetarisierungsversuchen und die heutige Bedeutung der inflationär gewordenen Netlabels blieben dabei außen vor.
Dafür ging es um die Notwendigkeit, eine Filterfunktion in der Flut der Netaudioreleases etablieren. Sollen die Labels selber stärker Promotion betreiben oder Blogs oder Podcasts Qualität aus dem Rauschen hervorheben? Wie sich das mit der Nischenphilosophie verträgt, bleibt ungewiss. Eins steht fest: Viele Netlabels sind tot, aber viele, sehr viele neue sind da.
Die Veranstalter gaben bekannt, dass die nächste Cologne Commons Konferenz 2015 stattfinden wird. Mein Tipp: Mehr Austausch zwischen Commonsvertretern aller Art; statt noch mehr Breite Konzentration auf Teilaspekte der Commons, um thematisch mehr in die Tiefe zu gehen.
Berlin, den 4. November 2013
Andreas Fertig ist Musiker (Readymedia), Journalist und betreibt den Klangboot Radio Podcast.
Dieser Artikel ist erstmalig im iRights Blog http://irights.info/2013/11/04/cologne-commons-2013-allmende-online-allmende-offline/18998 erschienen.
Hier nachträglich noch einige weitere Bemerkungen:
Einem etwas breiteren Commonsbegriff haben sich einige Projekte in und um Köln von der praktischen Seite genähert. Zehn davon konnten sich im Schnelldurchlauf im Rahmen des Panels „Wir fangen dann schon mal an“ vorstellen. Das attraktive Makers Space namens Dingfabrik oder die Plattform zum Teilen von Lebenserfahrung Austauschhafen sind fidele, lokale Kondensierungspunkte der Commons-Idee, die auch die Online-Komponente ausnutzen.
Wenn man spontan im Workshop Werkzeuge nachhaltiger Kommunikation landet und es dann doch nicht um das Neueste aus der Social-Media-Trickkiste geht, so stellt man fest wie, stark man manchmal in Online-Kategorien denkt. Vor dieser Erwartung mutete die „Praktische Vertiefung“ in die Soziale Erfindungen aus Ökodörfer und Gemeinschaften mit Jonathan Klodt (Global Ecovillage Network Europe) in der zweiten Stunde (während der Ersten war ich im Tagungsraum) etwas esoterisch an, war aber eine intensive, wenngleich doch eine etwas seltsame Erfahrung.
Am Freitag, den zweiten Tag der Konferenz hielt Raimond Spekking (Wikipedianer, Softwareentwickler, Dozent) seinen Vortrag „Wikipedia, Open Educational Ressources, Wissensallmende“ darüber, wie man das eigene Wissen für die Wikipedia freigeben kann, was Free Cultural Works seien und warum der NC-Zusatz bei Creative Commons Lizenzen den Verbreitungsgrad stark einschränkt. Hier wurde auch die iRights-Broschüre Folgen, Risiken und Nebenwirkungen der Bedingung nicht-kommerziell – NC von Paul Klimpel erwähnt und auch auf den Lizenzbaukasten bei Creative Commons Deutschland eingegangen. Die Information war zwar nicht neu, aber man stellte fest, dass im Alltag eine ordentliche Kennzeichnung oft zu kurz kommt.